Pornographie oder Literatur? Skyline Deluxe von Marianne Le Soleil Levant

Pornographie oder Literatur? Skyline Deluxe von Marianne Le Soleil Levant

Pornographie? Immer wieder stoßen sich Leute an den detailfreudigen Sexszenen des Buchs Skyline Deluxe – Eine romantische Novelle über das Abenteuer eines erotischen Experimentes in der Wissenschaft der Liebe von Marianne Le Soleil Levant (mehr Infos zum Buch hier). Dabei machen diese wenn überhaupt vielleicht fünf Prozent des Textes aus. Vielleicht 6%. Als ob es keinen Bukowski, keinen Balzac, kein Dekameron von Boccaccio, keine Lady Chatterly von dem honorigen D.H.Lawrence, keine Lolita von Nabokov, nicht den Reigen von Schnitzler und keine Anaïs Nin oder keinen Henry Miller gegeben hätte. Man fragt sich weshalb diese Aufregung? Ganz klar handelt es sich um eine Liebesgeschichte. Zuerst nur die einer Affäre. Doch dann wächst die Liebe und übernimmt ihre zeitlose Macht. Hätte die Autorin die Erotik weglassen sollen? Heutzutage? Wegen eventueller Unverträglichkeit mit Political Correctness oder überkommenen bürgerlichen Moralvorstellungen? Im Buch selbst wird so manche Verlogenheit in diesem Bereich aufgearbeitet. Frauen, ihre Stellung in der Welt, ihre Interessen kommen vor. Prostitution und Pornoindustrie werden beleuchtet. Das sind starke Themen. Weswegen darf die glückspendende Sexualität des frei gewählten Paarerlebnisses nicht ausgemalt werden?

Worum geht es dabei?

Natürlich kommt der Sex vor, weil es einfach Spaß macht. Auch einfach nur, ihn zu beschreiben. Er gehört schließlich dazu. Zur Liebe. Und er gehört zu dem, worum es eigentlich geht: Dem Erlebnis der Liebenden. Was in ihnen vorgeht. In ihrer Psyche. Ihren Gefühlen. Woher kommen diese Empfindungen. Wieso finden die beiden zueinander? Entwickeln sie sich komplementär durch ihre Gegensätze, durch ihre Gemeinsamkeiten oder beides? Ergänzen sie sich wirklich und wo liegen die Spannungen? Ja, eigentlich geht es um die Liebe, das Leben, Glück und die Welt.

Eine metaphysische Liebesgeschichte oder ein fotorealistisches Märchen?

Die Lebendigkeit der Geschichte, ihr Realismus entsteht durch eine detailfreudige Darstellung. Die illustre Umgebung, das luxuriöse Ambiente des Hotels und die wilde Pracht der südostasiatischen Hauptstadt, lassen die Welt wie unter einer Lupe aufblühen und dazu beitragen viele der Ereignisse in einen Schein der Wirklichkeit zu tauchen, der die Fantasie des Leser beflügelt sich darin hinzugeben. Auch durch die Echtzeit-Schilderung, dem unentwegte Zeitfluss ohne Sprünge, glaubt man schnell alles hautnah mitzuerleben. Trotz teilweise anspruchsvoller Sprache wird es so leicht gemacht, eine stille Beobachter-Position einzunehmen oder sich zu identifizieren. Wie im echten Leben kommt immer der nächste Moment als Nächstes. Man darf immer überrascht sein und wird nicht enttäuscht, weil dieser Moment auch immer kommt. Die frischen Dialoge verstärken den Eindruck der Unmittelbarkeit des Geschehens als Selbstverständlichkeit.

Dabei gelingt es sogar in der Beschreibung der Rahmenbedingungen die Samenkörner zu sähen, die im Verlauf noch zu Bedeutung wachsen. Zusammenhänge der individuellen Vorgänge mit dem allgemeingültigen in der Umwelt herzustellen, die verstehen machen, was passiert und wie es dazu kommen kann. Das Literarische daran ist, dass in der Geschichte, hinter der Geschichte, in der Sprache und Struktur Mechanismen verborgen sind, die den Leser in einen Zustand des Verständnisses versetzen. Natürlich merkt man das nicht. Man soll es nicht merken. Wozu? Es ist einfach eine Geschichte. Eine sehr schöne Geschichte.

In der Beschreibung von Alltagshandlungen vermutet man keine Weisheit, hinter dem Rhythmus von Zwiegesprächen kein Mantra und die Musik, die Musiktitel und ihre Entstehung und andere Einsichten zur Schöpfung und Verwirklichung von Musik bringen dem Publikum, wie den Protagonisten im Buch vor allem Vergnügen, interessante Einblicke und Information. Genauso wie die Schauplätze der brausenden Metropole gehören sie zur Geschichte. Durch die scheinbar nur der frohgemuten Darstellung verschriebenen Sprache, durch die aber ganz zielorientiert verfasste Schrift und der sich über den natürlich steten Fluss der Zeit verbergenden bewussten Einstreuungen der gewünschten Korrelationen entsteht dieser Effekt. Das ist gekonnt.

Es geht nicht um den Sex. Es geht eben auch um Sex. Aber geht es nicht um viel mehr?

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